Schneewittchen Reloaded
Es war einmal an einem bereits heraufdämmernden Herbstabend in Wien. Da saß eine Frau namens König in einem Taxi und fuhr den Ring entlang. In ihrem Luis Vuitton - Shopper steckte der Spender-Katalog eines renommierten Instituts für In-vitro-Fertilisation. Sie wußte bereits genau, was sie sich wünschte.
Ein Kind so weiß wie Schnee, rot wie Blut und so schwarz wie Ebenholz. Nach einigen gescheiterten Beziehungen stand für Sie außer Frage, dass es Zeit war ihren Kinderwunsch selbst in die Hand zu nehmen. Schließlich war Sie finanziell sowie emotional unabhängig, in der Blüte Ihrer Jahre und bereit in ein Kind zu investieren.
Bald darauf bekam sie ein Töchterlein. Ihre Haut war weiß wie Schnee, ihre Wangen rot wie Blut und ihr Haar so schwarz wie Ebenholz. Unglücklicherweise schied Frau König davon noch bevor Sie aus der Narkose des terminlich festgelegten Kaiserschnittes erwachte. Sie hatte sich zu einer Kombinationsoperation - Geburt inklusive anschließender Fettabsaugung entschlossen. Effizienz war schließlich das A und O der Branche. Immerhin hatte das Kind einen Namen - dessen Exklusivrechte bereits im Vorhinein der Geburt per Notar gesichert wurde: Schneewittchen.
Für eine zukünftige Karriere sollte das Mädchen ja mit einem klingenden exotischen Namen gerüstet sein. Ein weiteres A und O der Branche.
Schneewittchen wuchs in einer reich begüterten Pflegefamilie heran, die es hauptsächlich auf ihren Erbnachlass abgesehen hatte, den sie im Alter von 18 Jahren ausbezahlt bekommen sollte. Unter den besorgten Augen Ihrer Pflegemutter wurde sie mit jedem Tag schöner und neugieriger auf das Leben da draußen. Sie ging gern zur Schule, wollte alles über die Welt wissen und war von Natur aus gut gelaunt.
Obwohl der Neid auf das Mädchen von Tag zu Tag wuchs, wußte die Pflegemutter jedoch, dass sie das Kind nicht komplett verstoßen konnte, da sie mit ihrem 18. Geburtstag eine beträchtliche Summe wert sein würde.
Sie wollte dem Kind wehtun, wollte es seines besonderen naiven Zaubers, der einfach spürbar war, berauben ohne es freigeben zu müssen.
Und so begann Sie das Kind ein bißchen anders zu behandeln, als sie es bisher getan hatte. Eine kleine Bemerkung vor anderen Leuten hier, eine kleine fiese Bestrafung da, ein Abwerten und Verneinen des Mädchens dort. Nie zuviel, nie zu offensichtlich. Der Hass musste gut dosiert angewendet werden und darauf zielen, dass das schöne Mädchen sich für das häßlichste Geschöpf dieser Erde hielt, seine Neugier am Leben und der Welt verlor und sich am Besten nur noch mit der eigenen (völlig aus der Luft gegriffenen, eingetrichterten) Unzulänglichkeit beschäftigte.
Der Plan der Pflegemutter ging auf - das Gift wirkte. Nicht sofort, doch die Jahre zeigten ihre Wirkung. An ihrem 17. Geburtstag war das einst so schöne und lebhafte Mädchen ein abgemagertes, farbloses Häufchen Leere geworden, dass sich nur noch von einem Apfel täglich ernährte.
Eines Tages, als Schneewittchen gerade auf ihrer täglichen zweistündigen Joggingrunde befand, stolperte Sie und verstauchte sich den Knöchel. Hilflos blieb es auf dem Boden liegen und beschimpfte sich selbst, dass sie selbst für Sport zu dumm sein zu schien. Sie lag im Dreck des Schönbrunner Schloßparks und war am Ende.
Da kam plötzlich eine Gruppe von jungen Punks um die Ecke gebogen. Sie hatten buntgefärbte, verfilzte Haare, trugen verwaschene politische T-Shirts und der Kleinste von Ihnen schulterte einen Ghettoblaster mit laut krachender Musik mit Schreigesang.
Schneewittchen erschrak und fürchtete sich im ersten Moment, doch sogleich kam ein Punkmädchen mit einem Totenkopf-Aufnäher auf dem Ärmel ihrer Jacke auf Sie zu und fragte was passiert ist. Sie halfen ihr aufzustehen und setzten sich gemeinsam mit ihr und dem ständig laut krachenden Ghettoblaster, mir nichts, dir nichts, in den Rasen. Jemand packte Bier aus und drückte es dem verdutzten Schneewittchen in die Hand, ein anderer spielte mit einem Hund und das Punkmädchen mit dem Totenkopf-Aufnäher auf dem Ärmel ihrer Jacke begann aus einem selbst zusammenkopierten, zerfledderten Heftchen feministische Gedichte vorzulesen.
Schneewittchens Schmerz ließ nach. Sie fühlte sich überraschenderweise das erste Mal seit langem wohl. Hier im Gras. Unter diesen fremden Menschen. Mit diesen Menschen, die sich nicht scheuten bunt und laut und präsent zu sein. Sie fühlte sich mit Ihnen mehr verbunden, als mit irgendwelchen Menschen je zuvor.
Noch am selben Nachmittag packte Schneewittchen seine 7 Sachen zusammen und zog zu den Punks in die etwas heruntergekommene WG. Sie aß von ihren Tellerchen, trank von ihren Becherchen und schlief in Ihren Bettchen.
Die Pflegemutter tobte vor Wut...
[Fortsetzung folgt - ich muss zur Arbeit! - und ja, Punks in Schönbrunn ist tatsächlich science-fiction!]
haha
Freitag, November 10, 2006
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6 Kommentare:
Ich bin auf die Fortsetzung sehr gespannt!
same here
hey anonym! stop fucking around in my blog! that´d be sooo amazing! thanks a lot!
we want more!
(und kannst du ungewünscht ekommentare nicht einfach löschen!? *huh*)
das eben war der rio... :-)
lol
ich werd jetzt harte geschütze auffahren...mit buchstabenkombis eintippen und so
HAR HAR!
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